Starker Sozialstaat in der Coronakrise | Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik - MPISOC
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07.08.2020 / Sozialrecht

Starker Sozialstaat in der Coronakrise

Prof. Becker fordert breite Diskussion über gemeinschaftliche und individuelle Verantwortung

Prof. Dr. Ulrich Becker, Direktor am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, stellt dem Sozialstaat im BR-Podcast „B5 Extra Coronavirus - Wege aus der Krise“ vom 7. August 2020 ein gutes Zeugnis aus. Im Interview mit Christine Bergmann vom Bayerischen Rundfunk erklärt er, dass in der Coronakrise in kurzer Zeit eine breite Palette an bewährten, aber auch neuen Instrumenten zum Einsatz gekommen sei, um die wirtschaftlichen Folgen aufzufangen.

Mit Interventionen wie dem Kurzarbeitergeld und einem verbesserten Zugang zu sozialen Leistungen sei es gelungen, Arbeitsplätze zu erhalten und Existenzen zu sichern, erklärt der Rechtswissenschaftler, der die Untersuchung „Existenzsicherung in Zeiten der Coronakrise“ leitet. Krisenbekämpfungsmaßnahmen könnten für den Sozialstaat auf Dauer aber nicht der Maßstab sein. Die Probleme der Systeme der sozialen Sicherung müssten unabhängig davon gelöst werden.

So sei es dringend erforderlich, das Hartz IV-Konzept insbesondere im Hinblick auf einkommensschwache Familien mit Kindern zu verbessern, fordert Becker. Vor allem Alleinerziehende bräuchten stärkere Unterstützung, was in der Krise auch durch die Schließung von Schulen und Kindergärten besonders deutlich geworden sei. Becker plädiert in diesem Zusammenhang vor allem für eine bessere Abstimmung der Grundsicherung mit Familienleistungen und dem Wohngeld.

Großen Reformbedarf sieht Becker auch bei der Rentenversicherung. Bei steigender Lebenserwartung werde man nicht umhin kommen, länger zu arbeiten. Zudem sei eine stärkere Umverteilung in der Rentenversicherung notwendig. In der Praxis könnte diese so aussehen, dass Besserverdienende, relativ betrachtet, etwas weniger Rentenansprüche für ihre Beiträge erhalten. Dafür könnten dann die Rentenansprüche von Niedrigverdienern aufgewertet werden (siehe hierzu auch Artikel in der FAZ vom 20.3.2020 und Interview auf SWR 1 vom 15.5.2020).  

Die Coronakrise habe gezeigt, dass vor dem Hintergrund einer freiheitlichen Ordnung Wirtschaft und Soziales in Einklang gebracht werden müssen. Insbesondere mit Blick auf zukünftige Krisen sei eine gesellschaftliche Diskussion darüber nötig, was der Sozialstaat leisten muss und wo die Aufgaben des Einzelnen liegen. „Was wollen wir in gemeinschaftlicher Verantwortung übernehmen, was kann noch in Einzelverantwortung bleiben? Bei welchem Niveau wollen wir intervenieren? Die nächste Krise kommt bestimmt, und dann wäre es gut, darüber einmal grundsätzlich nachgedacht zu haben“, sagt Becker.

Das vollständige Interview in der ARD-Audiothek:
B5 Extra Coronavirus: Wege aus der Krise - Ulrich Becker, Direktor des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik: ardaudiothek.de – 07.08.2020

Die zentralen Punkte sind in folgendem Internetartikel zusammengefasst:
Corona-Podcast: Sozialexperte fordert Reformen bei der Rente: br.de