Zusatzbeitrag und sozialer Ausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung | Munich Center for the Economics of Aging - MEA
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Zusatzbeitrag und sozialer Ausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung

Zusatzbeitrag und sozialer Ausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung

Das GKV-Finanzierungsgesetz sieht vor, den allgemeinen Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf 15,5% (Arbeitgeberanteil: 7,3%, Arbeitnehmeranteil: 8,2%) festzuschreiben. Künftige Ausgabensteigerungen sollen nicht mehr durch einkommens¬orientierte Beiträge, sondern durch Pauschalbeiträge („Zusatzbeiträge"), gedeckt werden. Sobald der durchschnittliche Zusatzbeitrag aller Krankenkassen mehr als 2% des beitragspflichtigen Einkommens eines Versicherten entspricht, greift der soziale Ausgleich. Der Arbeitgeber bzw. der Rentenversicherungsträger reduziert den Krankenversicherungsbeitrag um die Differenz zwischen durchschnittlichem Zusatzbeitrag und 2% des Einkommens und überweist entsprechend mehr an den Versicherten und weniger an den Gesundheitsfonds.

Martin Gasche untersuchte die Effekte dieser Reform auf den Kassenwettbewerb und schätze die Entwicklung des Zusatzbeitrags und des sozialen Ausgleichs bis 2030 ab.

Auswirkungen auf den Kassenwettbewerb

Durch die Reform werden zwei gravierende wettbewerbsschädliche Mängel des mit dem sog. GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz geschaffenen kasseninternen Sozialausgleichs beseitigt:

Erstens: Geringverdiener haben nun auch einen Anreiz zum Kassenwechsel. Im bisherigen System bestand für Geringverdiener kaum ein Anreiz zum Kassenwechsel, da durch die Deckelung des zu zahlenden Zusatzbeitrages auf 1% des Einkommens auch ein Kassenwechsel meist nicht zu einer Beitragsreduktion führte. Durch die künftige Orientierung des sozialen Ausgleichs am durchschnittlichen Zusatzbeitrag des Systems wird der Kassenwettbewerb gestärkt, weil es für Geringverdiener immer lohnend ist, zu einer Kasse mit einem niedrigeren als dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag zu wechseln. Sie bekommen den sozialen Ausgleich nach Maßgabe des durchschnittlichen Zusatzbeitrags und nicht nach Maßgabe des tatsächlichen, so dass der Vorteil umso größer ist, je mehr der zu zahlende Zusatzbeitrag vom durchschnittlichen abweicht. Es besteht für Geringverdiener also eine Möglichkeit der Entlastung, die umso größer ausfällt, je niedriger das Einkommen des Versicherten ist. Hieraus folgt, dass es durch die Reform nicht zwangsläufig zu einer Belastung der niedrigeren Einkommen kommen muss.

Zweitens: Die vor der Reform bestehenden Wettbewerbsverzerrungen durch den kasseninternen Sozialausgleich werden aufgehoben. Bisher hatte der soziale Ausgleich die Einnahmen der einzelnen Krankenkasse gemindert. Diese Mindereinnahmen mussten unter Umständen durch eine Erhöhung der Zusatzbeiträge kompensiert werden. Diese Erhöhung vergrößerte den Kreis der Ausgleichsberechtigten und gab Versicherten mit hohen Einkommen einen weiteren Anreiz, die Kasse zu wechseln, was die Kasseneinnahmen weiter schmälerte. Im Ergebnis hätte der Zusatzbeitrag noch weiter steigen müssen. Eine Kasse wäre in einen Teufelskreis geraten und hätte nur aufgrund der Tatsache, dass sie viele Mitglieder mit niedrigem Einkommen hat, in ihrer Existenz bedroht sein können. Der Kassenwettbewerb wäre verzerrt worden. Der neue soziale Ausgleich führt nicht zu Mindereinnahmen einer einzelnen Krankenkasse, sondern zu Mindereinnahmen des Gesundheitsfonds. Durch diesen externen Sozialausgleich hat die Einkommenshöhe der Versicherten einer einzelnen Kasse keinen Einfluss mehr auf die Einnahmen der Kasse aus Zusatzbeiträgen. Der oben beschriebene Teufelskreis wird verhindert.

Langfristige Auswirkungen der Reform
Der Analyse der langfristigen Auswirkungen der Reform wurden unterschiedliche Szenarien für die Differenz zwischen GKV-Ausgabenwachstumsrate und Lohnwachstumsrate zugrunde gelegt. Im Basisszenario beträgt bis 2030 diese Differenz im Durchschnitt 0,7 Prozentpunkte jährlich, im realistischen Szenario 1,4 Prozentpunkte.
Unter der Annahme, dass der Beitragssatz bei 15,5% festgesetzt bleibt, wird der Zusatzbeitrag bis 2030 drastisch steigen: auf 20 Euro in 2015 und 68 Euro in 2030 im Basisszenario bzw. auf 24 Euro in 2015 und 123 Euro in 2030 im realistischen Szenario. Im Basisszenario werden im Jahr 2030 14% und im realistischen Szenario 25% der GKV-Ausgaben durch Zusatzbeiträge finanziert. Da die Zusatzbeiträge schneller wachsen als die beitragspflichtigen Einkommen, steigt mit dem Zusatzbeitrag auch das Volumen des Sozialausgleichs, soweit dieser weiterhin bei 2% des Einkommens greift. Das Volumen des sozialen Ausgleichs erhöht sich im Basisszenario bis 2030 kontinuierlich auf 15 Mrd. Euro und im realistischen Szenario sogar auf 41 Mrd. Euro. Die Anzahl der Bezieher des sozialen Ausgleichs steigt ebenfalls mit der Erhöhung der Zusatzbeiträge an.
Da der soziale Ausgleich durch Überweisungen des Bundes an den Gesundheitsfonds finanziert werden soll, erhöht sich damit der Anteil des Bundes an der Finanzierung der GKV: im Basisszenario von rund 8% auf 9,3% und im realistischen Szenario auf 18% im Jahr 2030.

Das Volumen des sozialen Ausgleichs könnte durch eine Erhöhung der Belastungsquote reduziert werden. Stiege diese über das derzeitige Niveau von 2%, würde die Höhe des Einkommens, bis zu der der soziale Ausgleich geleistet wird, herabgesetzt. Dies würde faktisch einer Beitragssatzerhöhung für die Bezieher niedriger Einkommen entsprechen.

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