Finanzwissen, kognitive Fähigkeiten und die Finanzkrise | Munich Center for the Economics of Aging - MEA
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Finanzwissen, kognitive Fähigkeiten und die Finanzkrise

Finanzwissen, kognitive Fähigkeiten und die Finanzkrise

Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise stellte Finanzinstitutionen, Politiker und Unternehmen gleichermaßen vor Herausforderungen. In diesem Zusammenhang ist es von großer Bedeutung zu untersuchen, wie private Haushalte von der Krise betroffen waren, wie sie auf solch einen Schock reagierten und was die langfristigen Konsequenzen sein werden. Insbesondere stellt sich die Frage, ob sich Haushalte mit höherem Finanzwissen eher vor den Effekten der Finanz- und Wirtschaftskrise schützen konnten. Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, da Haushalte mit höherem Finanzwissen tendenziell eher riskantes Vermögen besitzen und daher eher von Vermögensverlusten durch die Krise betroffen waren. Es ist daher wichtig zu untersuchen wie Haushalte auf den Schock reagierten und ob sie ihre Verluste durch den Verkauf von Anlagen realisiert haben.

Die Untersuchungen von Tabea Bucher-Koenen und Michael Ziegelmeyer zeigen, dass insgesamt etwas mehr als 20% der Haushalt in Deutschland angeben, Vermögensverluste durch die Finanzkrise erlitten zu haben.1 Im Durchschnitt führen Haushalte einen Verlust von 2.560 Euro an, was etwa 3,6% ihres Finanzvermögens entspricht. Ein Vergleich mit simulierten Verlusten, die auf der Basis des Haushaltsvermögens Ende 2007 und den durchschnittlichen Renditen einzelner Anlageklassen während 2008 prognostiziert wurden, zeigt, dass die Selbstaussagen der Haushalte relativ nahe an den simulierten Werten liegen. Dies lässt die MEA-Forscher folgern, dass Haushalte im Durchschnitt ein gutes Bild von den Effekten der Finanzkrise auf ihr Vermögen haben.

Ex ante ist der Zusammenhang zwischen Finanzbildung und Verlusten nicht klar. Auf der einen Seite machen Individuen mit geringer finanzieller Bildung eher Anlagefehler, auf der anderen Seite investieren sie seltener in riskantes Vermögen. Die Analysen zeigen, dass der zweite Effekt überwiegt. Individuen mit geringem Finanzwissen besitzen seltener Aktien und anderes riskantes Vermögen und geben deswegen seltener einen Verlust durch die Finanzkrise an, dies gilt bei gleichem soziodemographischen Hintergrund, gleichen Risikopräferenzen und gleichem Hintergrundrisiko. Im Gegensatz zu den Erwartungen der beiden Wissenschaftler zeigt sich, dass unter den Haushalten, die Verluste angeben, diejenigen mit höherer finanzieller Bildung keinen geringeren Anteil ihres Vermögens verloren haben. Allerdings haben Haushalte mit geringer finanzieller Bildung ihre Verluste häufiger durch Verkäufe von Anlagen realisiert. Diese Reaktion von Haushalten mit geringem Finanzwissen auf kurzfristige Verluste kann substantielle langfristige Konsequenzen für die Vermögensverteilung mit sich bringen. Diese Individuen partizipierten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an den Gewinnen durch die Erholung der Märkte während 2009 und 2010 und sehen sich langfristig niedrigeren Renditen gegenüber - insbesondere dann, wenn sie sich durch die negative Erfahrung von zukünftigen riskanten Investments abschrecken lassen. Schätzungen zufolge liegen die durchschnittlichen jährlichen Konsumausgaben von Aktienbesitzern etwa 1,5-2% über denen von Haushalten, die nicht am Aktienmarkt partizipieren (siehe Cocco et al., 2005 und Mankiw und Zeldes, 1991).

 

1 In SAVE 2009 wurde dem Fragebogen ein Modul hinzugefügt, das Haushalte zu den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise befragte. Die Analysen basieren auf der Auswertung der Antworten von 2.012 Haushalten und sind repräsentativ für Haushalte in Deutschland.

Mehr Informationen:

Who Lost the Most? Financial Literacy, Cognitive Abilities and the Financial Crisis
MEA Discussion Paper 234-11 Bucher-Koenen, Tabea; Ziegelmeyer, Michael

Foto: Sven Hoppe - Fotolia.com