Besonders alte und europäische Zuwanderer erleiden Vermögensverluste durch Migration | Munich Center for the Economics of Aging - MEA
Home
Besonders alte und europäische Zuwanderer erleiden Vermögensverluste durch Migration

Besonders alte und europäische Zuwanderer erleiden Vermögensverluste durch Migration

Januar 2017 - Vermögen wird nicht selten als wichtiger Langzeitindikator für die Lebensqualität herangezogen. Von diesem können besonders ältere Familien abhängig sein, da ihr Vermögen eine wichtige finanzielle Ressource darstellt neben ihren Renten. Für Haushalte von Einwanderern ist das Gewicht solcher Ressourcen jedoch oft anders verteilt, da sie beispielsweise ihr Vermögen anders anlegen, oder nicht auf die gleichen Renditen und Sozialleistungen zählen können. Besonders in Anbetracht von Reformen in europäischen Ländern, die auf die Reduzierung von Sozialleistungen zielen, sind Zuwanderer deshalb in höherem Maße armutsgefährdet. Um diesem Problem zu begegnen, müssen wissenschaftliche Untersuchungen klären, ob es eine Vermögenslücke zwischen Einwanderern und Einheimischen gibt und wo die Gründe dafür liegen.

Eine neue Studie von Irene Ferrari untersucht daher die Vermögenslücke zwischen Haushalten, in denen nur Migranten leben, gemischten Haushalten und einheimischen Haushalten. Dabei geht die Studie über die Betrachtung der durchschnittlichen Vermögenslücke hinaus und betrachtet auch die Verteilung innerhalb der Migranten.

Potentielle Gründe für die Vermögenslücke zwischen Zuwanderern und Einheimischen
Wissenschaftler nehmen an, dass Menschen mit Migrationshintergrund aus verschiedenen Gründen schlechter gestellt sind als Einheimische, darunter die folgenden drei: Direkt nach der Migration sind Löhne und Gehälter von Zuwanderern oft geringer als die von Einheimischen. Grund hierfür sind unter anderem ein Informationsdefizit über das neue Heimatland, Sprachbarrieren oder die Unsicherheit aufgrund einer ungeklärten Aufenthaltserlaubnis. Daneben haben Studien bereits gezeigt, dass Migranten weniger von privaten Schenkungen oder Erbschaften profitieren oder Immobilien besitzen. Nicht zuletzt können auch die Regelungen staatlicher Sozialversicherungssysteme zu einer Vermögenslücke beitragen. Für Migranten ist der Zugang zu diesen oft begrenzt oder durch eine Mindestdauer an Beitragsjahren erschwert, wie beispielsweise im Fall gesetzlicher Rentenversicherungen. Selbst wenn Zuwanderer diese Kriterien erfüllen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie von diesen weniger profitieren können als Einheimische. Aufgrund geringerer Einkommen oder weniger Beitragsjahren sinkt ihr Rentenanspruch.

Über die Vermögensverteilung variiert die Lücke zwischen Einheimischen und Zuwanderern
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Haushalte von Migranten und gemischte Haushalte im Durchschnitt über ein geringeres Vermögen verfügen als Haushalte Einheimischer. Betrachtet man jedoch einzelne Vermögensgruppen, zeigt sich ein differenzierteres Bild: In den unteren Gruppen der Vermögensverteilung ist die Lücke groß, in den mittleren nimmt sie ab und wird für die obersten 20 Prozent negativ. Zuwanderer, die mit ihrem Vermögen in den oberen beiden Perzentilen der Vermögensverteilung anzusiedeln sind, verfügen demnach über höheren Wohlstand als Einheimische derselben Gruppe. Am anderen Ende der Skala sind es folglich vor allem die schlechter gestellten Haushalte, die unter der Vermögenslücke leiden. Zu dieser Lücke in der unteren Gruppe der Vermögensverteilung tragen in besonderem Maße die Rentenansprüche bei. Eine Folge die wiederspiegelt, welche Schwierigkeiten Zuwanderer durch die geforderte Mindestanzahl von Beitragsjahren in Rentensystemen oder geringere Einkommen haben können.

Sozioökonomische Faktoren spielen eine wichtige Rolle
Die Ergebnisse zeigen ferner, dass es besonders für Zuwanderer aus nicht-europäischen Herkunftsländern wahrscheinlich ist, ein Vermögensdefizit aufzuweisen. Ebenso ist es für sie wahrscheinlicher, über ein geringeres Einkommen zu verfügen, gesundheitlich schlechter gestellt sowie weniger gebildet zu sein und aus einer ärmeren Familie zu stammen. Auch weitere Lebensumstände im Kindesalter, wie zum Beispiel die Größe des Hauses, scheinen dabei eine Rolle zu spielen, wie die Untersuchung zeigt. Auf der anderen Seite stammen Zuwanderer, die über ein höheres Vermögen verfügen, mit höherer Wahrscheinlichkeit aus europäischen Ländern, haben ein höheres Einkommen, sind besser ausgebildet, gesünder und kommen aus reicheren Familien. Die Studie führt deshalb eine weitere Analyse durch, die spezifischer auf die Unterschiede zwischen den Zuwanderern eingeht.

Heterogenität zwischen Migranten nach Alter und Herkunft
Diese Analyse unterscheidet, ob die Zuwanderer aus Europa oder einer anderen Herkunftsregion stammen und ob diese vor oder nach dem 18. Lebensjahr migrierten. Diese Unterscheidung ist aufgrund der Annahme sinnvoll, dass europäische Migranten geringere Migrationskosten haben und minderjährige Zuwanderer vom Schulbesuch sowie von mehr Zeit zur Eingewöhnung im Gastland profitieren können. Die Ergebnisse der Analyse überraschen: Während die Annahme bezüglich jüngerer Migranten bestätigt werden kann, scheinen europäische Migranten schlechter gestellt sein als nicht-europäische Migranten. Mit einem Median-Vermögen von 327.000 Euro haben sie zwar im Durchschnitt ein höheres Vermögen als nicht-europäische Migranten (158.000 Euro), setzt man diese allerdings in Bezug zu Einheimischen mit vergleichbaren sozioökonomischen Merkmalen, weisen sie ein höheres Vermögensdefizit auf.

Migrationskosten können von nicht-europäischen Migranten besser ausgeglichen werden
Eine wahrscheinliche Erklärung für die größere Vermögenslücke zwischen europäischen Migranten und vergleichbaren Einheimischen ist, dass gut ausgebildete Migranten Probleme haben könnten eine Arbeit zu finden, die ihrem Ausbildungsniveau entspricht. Die nachgewiesene Lohnlücke zwischen Migranten und Einheimischen könnte dementsprechend für gut ausgebildete Zuwanderer größer sein, die als Folge davon an einem Vermögensverlust leiden. Um die konkrete Ursache der Vermögenslücke zu dokumentieren, weißt die Studie darauf hin, dass Anschlussuntersuchungen nötig sind.

Das vollständige MEA Discussion Paper können Sie hier auf Englisch lesen.