Aktuelle Zuwanderung und demografischer Wandel | Munich Center for the Economics of Aging - MEA
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Aktuelle Zuwanderung und demografischer Wandel

Aktuelle Zuwanderung und demografischer Wandel

München, März 2016. Der demographische Druck auf das Rentensystem resultiert aus dem ungebrochenen Anstieg der Lebenserwartung, einhergehend mit niedrigen Geburtenraten seit dem „Pillenknick“ in den 1960er Jahren sowie aus dem Übergang von Babyboom zu Pillenknick. Innerhalb der OECD ist Deutschland dabei eines der Länder mit der stärksten Bevölkerungsalterung.

Angesichts dieses demographischen Wandels kommt immer wieder die Frage auf, ob der Alterungsprozess durch zusätzliche Einwanderung gestoppt werden kann. Der Vorschlag zu mehr Migration basiert auf der Beobachtung, dass junge Zuwanderer den Altersdurchschnitt der Bevölkerung senken und so die Mitgliederstruktur der Sozialversicherung verjüngen. Gleichzeitig weisen Zuwanderer in der Regel höhere Geburtenraten auf.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Zuwanderungswelle wurden neue Modellrechnungen des Munich Center for the Economics of Aging (MEA) durchgeführt, die zu folgenden Ergebnissen kommen: 

Mittelfristig kann Zuwanderung sich positiv auf die Entlastung der Rentenversicherung auswirken: Wenn im Jahr 2015 und 2016 1,5 Millionen Nettoeinwanderer nach Deutschland kommen würden, wenn diese die Altersstruktur bisheriger Einwanderer hätten und wenn bei zwei Drittel dieser Einwanderer die Integration in den Arbeitsmarkt gelingen würde, dann würde mittelfristig die Rentenversicherung um etwa den Betrag entlastet, den die Mütterrente und die Rente mit 63 zusätzlich gekostet haben. 

Ab 2020 gehen die ersten Babyboomer in Rente. Wenn die Migranten aus der aktuellen Zuwanderungswelle in den nächsten Jahren voll in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden, hilft das, die anstehende, starke Belastung der Rentenkassen zu mildern. Da mehr als die Hälfte der Migranten jünger als 25 Jahre alt ist, würden sie bei erfolgreicher Arbeitsmarktintegration noch 40 Jahre lang Beiträge zahlen. Das fiele in den Zeitraum, in dem die Rentenkassen durch die Babyboomer besonders belastet sind. 

Kurzfristig, das bedeutet in den nächsten ein bis drei Jahren, gibt es allerdings kaum einen Einfluss auf die Gesetzliche Rentenversicherung, da die Zuwanderer ja erst in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse integriert werden müssen. 

Sehr langfristig betrachtet, das heißt in ca. 30-40 Jahren, würde es hinsichtlich oben genannter Annahmen ebenfalls kaum einen Einfluss geben, da die Migranten der jetzigen Einwanderungswelle dann selbst Renten erhalten werden. 
Um das demografische Problem allein mit Zuwanderung lösen zu können, müssten dauerhaft 1,5 Millionen Menschen pro Jahr zu uns kommen und integriert werden. 

In einer MEA-Studie aus dem Jahr 2002 (PDF) wurde bereits berechnet, dass der Beitragssatz zur Rentenversicherung im Jahr 2050 nur um rund 2 Prozentpunkte niedriger liegt (27% anstatt 29%), wenn man mittelfristig von 126.000 Einwanderern pro Jahr ausgeht, im Vergleich zu einer Situation ohne Nettozuwanderung. Dies zeigt, dass nur unrealistisch hohe Zuwanderungszahlen den Beitragssatz zur Gesetzlichen Rentenversicherung stabilisieren könnten. Zudem hat sich gezeigt, dass sich die Geburtenzahl von Einwanderern schnell an die der deutschen Bevölkerung angleicht, so dass sich der Altersdurchschnitt in Deutschland durch Einwanderung nur auf mittlere Frist verjüngt.

Zuwanderung kann also den Kern des sozialpolitischen Alterungsproblems nicht lösen, sondern seinen Prozess nur in geringem Ausmaß verlangsamen. Letztendlich hängen die positiven Effekte von einer schnellen und vollständigen Integration in den deutschen Arbeitsmarkt ab. Deshalb kann die deutsche Sozialpolitik auf keinen Fall hoffen, dass ihr die nötigen Reformen von Zuwanderern abgenommen werden.

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