München, November 2016. Die vom MEA erstellte Expertise für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: „15 Jahre Riester – eine Bilanz“ beantwortet drei zentrale Fragen: Was hat die Riester-Rente bislang erreicht? Welche Ziele wurden verfehlt? Welche Handlungsoptionen stehen zur Verfügung und wie sind diese zu bewerten?
Mit den Rentenreformen 2001 („Riester“) und 2004 („Nachhaltigkeit“) wurde beschlossen, das Niveau der gesetzlichen Rente nach und nach abzusenken, um vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung (GRV) langfristig finanzierbar zu machen. Das Alterseinkommen soll sich künftig nicht mehr alleine aus der GRV ergeben, sondern aus dem Zusammenspiel staatlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge sichergestellt werden. Als wichtiger Bestandteil dieses Prozesses wurde die Riester-Rente, als staatlich geförderte private Altersvorsorge, eingeführt.
Die Absicht, durch die Einführung der Riester-Rente „die Rentenlücke zu schließen“ sowie die unglückliche Wortwahl „das Rentenniveau abzusenken“ haben in der Bevölkerung allerdings den Eindruck erweckt, dass die Kaufkraft der Renten sinken wird und daher immer mehr Rentner in der Zukunft nur noch eine Rente in Höhe der Grundsicherung oder gar weniger beziehen werden. Dies ist falsch, denn das Rentenniveau beschreibt nicht die absolute Höhe der monatlichen Rentenzahlungen und damit nicht die Kaufkraft der Renten, sondern das Verhältnis der durchschnittlichen Rentenzahlung zum durchschnittlichen Lohn. Die Absenkung des Rentenniveaus bewirkt, dass die Renten um etwa ein Drittel weniger stark wachsen als die Löhne. Die Riester-Rente soll daher lediglich dieses Wachstumsdefizit kompensieren, nicht aber einen Einschnitt in die Kaufkraft der gesetzlichen Rente. Auch in Zukunft wird die Kaufkraft der Renten steigen. Die Renten der nächsten Generation werden ca. 30% mehr Kaufkraft haben als die heute ausbezahlten Renten. Für die Bewertung der Riester-Rente und im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über die Altersarmut ist das ein entscheidender Punkt, der zu wenig Beachtung findet. Eine zunehmende Altersarmut mit dem absinkenden Rentenniveau zu begründen ist daher falsch. Die Riester-Rente als Instrument zur Altersarmutsvermeidung zu interpretieren ist ebenfalls nicht sachgerecht.
Die MEA Expertise gibt einen umfassenden Überblick über Erfolge, Versäumnisse und Handlungsoptionen bei der Riester-Rente. Eine Kurzfassung zentraler Punkte aus der Expertise wird hier vorgestellt:
Eine Abschaffung der Riester-Rente würde die partiellen Erfolge zunichtemachen. Ein Weiter-So würde die Riester-Rente dagegen auf dem erreichten Niveau höchstens stagnieren lassen.
- Vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Personen, die von den höchsten Förderquoten profitieren können, nicht weiß, dass er förderberechtigt ist, erscheint eine weitere Erhöhung der staatlichen Förderung nicht zielführend.
- Viel eher sollte man über Schritte zur Verbesserung des Wissens über die Altersvorsorge nachdenken.
- Effektiver wäre es sicherlich, eine allgemeine Förderberechtigung einzuführen. Die Mehrkosten wären gering, da es nur wenige tatsächlich nicht förderberechtigte Haushalte gibt, während es viele gibt, die wegen dieses Informationsmangels keinen Riester-Rentenvertrag abschließen.
- Einige der diskutierten Informationsmängel versucht die Bundesregierung durch die Einführung eines einheitlichen Produktinformationsblattes zu lösen. Grundsätzlich ist das standardisierte Produktinformationsblatt ein wichtiger Schritt. Das Produktinformationsblatt sollte jedoch auch die Kosten der Garantie in Abhängigkeit der gewählten Laufzeit und des zugrundeliegenden Zinsniveaus ausweisen.
- Von diesem Produktinformationsblatt werden allerdings in erster Linie Neukunden profitieren. Bestandskunden sind aufgrund der hohen Wechselkosten an ihre alten Verträge gebunden. Die Anbieter der Verträge könnten allerdings dazu verpflichtet werden, auch ihren Bestandskunden das Informationsblatt zu ihrem bestehenden Vertrag zuzusenden.
- Zudem könnte eine Kostenobergrenze für den Vertragswechsel dazu beitragen, Bewegung in den Bestandskundenmarkt zu bekommen und Sparern zu kostengünstigeren Verträgen zu verhelfen.
- Sinnvoll wäre auch die Einführung von säulenübergreifend standardisierten Renteninformationen. Sie könnten dazu beitragen, Haushalten schnell einen Überblick über ihre aus den verschiedenen Säulen akkumulierten Rentenansprüche zu verschaffen, Lücken aufzudecken und entsprechend zu reagieren. Staatliche Vorgaben zur standardisierten Berechnung und Präsentation sowie dem Versandzeitpunkt scheinen aufgrund der Erfahrungen mit dem bisherigen Diskussionsprozess unumgänglich.
- Die Anrechnung der Riester-Rente auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sollte überdacht werden. Neben einem vollständigen Verzicht auf die Anrechnung wäre auch die Einführung von Freibeträgen denkbar.
- Die für die Versicherungsunternehmen abschreckende und kostspielige Zulagenverwaltung ließe sich erheblich vereinfachen, wenn man z. B. auf den letztjährig vom Finanzamt erstellten Einkommensteuerbescheid zurückgreifen würde und die dadurch entstehende Unschärfe zugunsten einer höheren Verbreitung in Kauf nähme.
- Die im Rahmen der Entgeltumwandlung anfallenden doppelten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind nicht anreizkompatibel und sollten abgeschafft werden.
- Reformbedürftig sind auch die Anlagevorschriften. Insbesondere unterlaufen Vorschriften, dass große Teile des Altersvorsorgevermögens in Staatsschulden angelegt werden, den eigentlichen Sinn der Kapitaldeckung, nämlich Produktivkapital für die Zwecke der Alterssicherung zu mobilisieren. Zudem bewirken sie eine Vernichtung von Kaufkraft, da auf absehbare Zeit die Realzinsen von Staatsschuldverschreibungen unter Null liegen werden. Solche Anlagevorschriften sollten abgeschafft werden.
- Eine weitere Handlungsalternative wäre die Einführung von Standardprodukten mit dem Ziel, einen Markt für einfach zu verstehende Altersvorsorgeprodukte zu schaffen, die im Wettbewerb zu den derzeitigen Produkten stehen. Im Hinblick auf ihr Design kann man von den schwedischen und britischen Erfahrungen lernen.
- Man könnte schließlich darüber nachdenken, ob die in Deutschland sehr teure Kontenverwaltung nicht so zentralisiert werden kann, dass nach schwedischem Vorbild die Kapitalanlage- und Versicherungsgesellschaften nicht um Haushalte, sondern große Kapitalblöcke konkurrieren. Eine z. B. bei der Deutschen Rentenversicherung angesiedelte zentrale Kontenverwaltung würde weitergehende Möglichkeiten eröffnen, z. B. eine Opting-Out Lösung auch für die private Altersvorsorge.
Die ausführlichen Analysen zu den Erfolgen, zu den kritischen Punkten und den Handlungsempfehlungen sind in der MEA Expertise erläutert: 15 Jahre Riester – eine Bilanz - DP 06-2016 (PDF)