Aufgaben
Aufgabe des MEA ist es, mikro- und makroökonomische Aspekte des demographischen Wandels zu antizipieren und zu begleiten. Durch den Aufbau von empirischen Modellen und daraus folgenden Prognosen leitet das MEA Handlungsempfehlungen für Wirtschaft und Politik ab. Darüber hinaus dienen diese Modelle, die sich auf deutsche, europäische und globale Daten stützen, dazu, die Abhängigkeit der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklungen von politischen Parametern abzubilden.
Das MEA verbindet wissenschaftliche Forschung und wissenschaftliche Beratung und ist Mitglied interdisziplinärer sowie internationaler Forschungsnetzwerke, um den Wissenstransfer zu fördern. Aufgrund seiner internationalen und insbesondere europäischen Ausrichtung ist das MEA in der Lage, die Auswirkungen und alternativen politischen Begleitmaßnahmen des demographischen Wandels auch im internationalen Rahmen zu analysieren und auf diese Weise von den Erfahrungen anderer Länder zu lernen.
Durch die Einbindung zahlreicher internationale Forschungsnetzwerke verbindet das MEA somit wissenschaftliche Forschung hohen internationalen Anspruchs mit streng wissenschaftlich fundierter Politikberatung. Zudem dient die Arbeit des Instituts der Information der interessierten Öffentlichkeit.
Hintergrund
Hintergrund dieser Aufgaben ist der sich allmählich beschleunigende demographische Wandel, der zu den wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen der nächsten Dekaden gehört. Dies ist keineswegs eine neue Einsicht. Dennoch beschränkt sich die öffentliche Debatte ebenso wie die wissenschaftliche Forschung in Europa noch weitgehend auf die sozialpolitischen Konsequenzen, besonders auf das Finanzierungsproblem der staatlichen Rentenversicherungen. Der demographische Wandel wird jedoch auch einen tief liegenden makroökonomischen Strukturwandel hervorrufen, der alle zentralen Märkte – Arbeitsmarkt, Märkte für Waren und Dienstleistungen, sowie die Kapitalmärkte im In- und Ausland – beeinflussen wird.
- Der demographische Wandel wird massive Auswirkungen auf die Produktionsweise haben, da im Deutschland des Jahres 2030 ca. 20% weniger Erwerbstätige ein etwa gleiches Konsumniveau wie heute produzieren müssen. Ohne stärkere Abhängigkeit von Güterimporten ist dies nur mit einer wesentlich höheren Produktivität möglich, die ihrerseits nur durch eine höhere physische Kapitalintensität und mehr Humankapital erbracht werden kann. Die Löhne werden steigen, die Kapitalrendite unter Umständen fallen. Während diese Tendenzen qualitativ unumstritten sind, ist das quantitative Ausmaß der Veränderungen noch unklar.
- Der demographische Wandel wird die Konsumstruktur deutlich verändern: es werden mehr Dienstleistungen und mehr Produkte für ältere Mitbürger/innen nachgefragt werden. Solche Nachfrageverschiebungen implizieren einen Strukturwandel in der Produktion mit den entsprechenden Friktionen, z.B. temporäre Arbeitslosigkeit, insbesondere, wenn es bei der heutigen geringen sektoralen Mobilität bleibt. Wiederum sind die quantitativen Auswirkungen unklar. Einerseits besteht die Hoffnung, dass der demographische Wandel quasi automatisch das Arbeitslosenproblem lösen wird. Andererseits ist es jedoch durchaus möglich, dass friktionelle Arbeitslosigkeit in großem Ausmaß entsteht und die zunehmende Spreizung des Qualifikationsniveaus zu einem dualen Arbeitsmarkt mit Knappheit unter Hochqualifizierten und Arbeitslosigkeit unter Geringqualifizierten führt – also zu einer deutlichen Verschärfung eines bereits heute beobachteten Phänomens.
Jedoch sind die Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Arbeitsmarkt nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ nicht klar, da es möglicherweise Interdependenzen zwischen der Alters- und der Qualifikationsstruktur der Erwerbspersonen gibt. - Der demographische Wandel wird schließlich die internationalen Wirtschaftsbeziehungen ändern. Kapital wird aus Ländern mit einer relativ alten Bevölkerung in Länder mit einer relativ jüngeren Bevölkerung fließen, da dort die Renditen höher sein werden. Selbst wenn die ganze Welt allmählich altert, reichen die relativen Altersunterschiede zwischen Ländern aus, um starke Kapitalbewegungen zu induzieren. Diese Einsicht ist für Deutschland besonders wichtig, da unser Land bereits heute einen der höchsten Anteile älterer Mitbürger/innen der Welt hat. Diese Kapitalströme müssen über die Zahlungsbilanz finanziert werden. Daher ist es wahrscheinlich, dass Deutschland vom "Exportweltmeister" zum Nettokapitalimporteur werden wird. Die höheren Importe gehen im Übrigen einher mit der Knappheit an Arbeitskräften bei einem im Wesentlichen gleichbleibenden Konsumniveau. Wiederum ist das quantitative Ausmaß unklar. Es hängt von der Geschwindigkeit der Globalisierung von Kapital- und Gütermärkten ab, insbesondere dem Abbau von Investitionshemmnissen in den jungen Schwellen- und Entwicklungsländern.
- Zusätzlich zum Volumen der internationalen Kapitalströme spielt die demographische Entwicklung auch eine Rolle in der zeitlichen Struktur dieser Ströme. So wird die in Zukunft noch stärkere Alterung möglicherweise zu starken Kapitalausfuhren in der Gegenwart und Kapitalreimporten in der Zukunft führen, wenn die älteren Mitbürger/innen ihr als Altersvorsorge investiertes Kapital konsumieren wollen.
Alle diese Entwicklungen gilt es zu antizipieren, nicht zuletzt, um Härten und Übergangsprobleme zu mildern oder ganz zu vermeiden. Die Probleme beginnen zwar, ansatzweise auf den "Radarschirmen" der Regierungen und internationalen Organisationen aufzutauchen, doch fehlt es noch an Daten und geeigneten Modellen, um diese Entwicklungen quantitativ abzuschätzen.
Das MEA sieht es als Hauptaufgabe, hier zu helfen und die notwendigen Analyseinstrumente zu entwickeln.
Entstehungsgeschichte
Das MEA wurde ursprünglich im Juli 2001 als Mannheim Research Institute for the Economics of Aging der Universität Mannheim gegründet, mit dem Ziel den demografischen Wandel in Deutschland und im internationalen Vergleich zu erforschen. Das Institut war zunächst als sogenannte Public Private Partnership des Landes Baden-Württemberg und des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) organisiert. Die Grundfinanzierung war hälftig zwischen Land und GDV aufgeteilt und umfasste ca. ein Drittel des Gesamtetats; weitere zwei Drittel kamen aus der öffentlichen Drittmittelförderung, vor allem der DFG, der EU-Förderprogramme und des US-amerikanischen National Institute on Aging, so dass insgesamt ca. 85 % aus öffentlichen Mitteln und 15 % aus privaten Mitteln bestanden. Im Jahr 2011 zog das Institut nach München, wurde Teil des Max-Planck-Institutes für Sozialrecht und Sozialpolitik und bildete bis 31.12.2022 die sozialpolitische Abteilung des Institutes. Mit dem Umzug nach München endete auch die Public Private Partnership. Die Forschungsaufgaben des Institutes - die mikro- und makroökonomischen Auswirkungen des demographischen Wandels zu verstehen und mit zu helfen, die säkulare Entwicklung in eine für alle Generationen positive Richtung zu wenden - sind jedoch die gleichen geblieben. Mehr Informationen über das Mannheim Research Institute for the Economics of Aging können Sie unserer Jubiläumsbroschüre entnehmen.